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Sage JA zu NEIN (Nein sagen können)

Nein sagen können heisst vor allem Grenzen setzten lernen. Entdecke die befreiende Entspannung, die im Nein sagen steckt!


Nein sagen können, sage ja zu nein

Inhalt:


1. Unsere Ja-Gesellschaft

Wir leben in einer Ja-Gesellschafft. Von «Yes we can!» (Barak Obama’s Wahlslogan) geht das bis «Ja das schaffen wir!» (Angela Merkel 2015 auf die Flüchtlingskriese). Ein Ja verkauft sich besser als ein Nein, dass weiss nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft. Mit Ja-Verkaufsargumenten und Social Media, kann man überall mit «Ja, gefällt mir» zustimmen, bzw. «likes» ernten. Sogar in Anbetungslieder singen wir zu Gott «Ja, wir glauben an dich!».


Ein Ja ermutigt, ein Nein setzt Grenzen. Ein Nein stoppt erst mal, dass gefällt meist nicht einmal der Person die Nein sagt. Man erntet also nicht im gleichen Masse Zuspruch von anderen bei einem Nein, wie bei einem Ja. Hat das Nein ein Image-Problem? Wieso tun wir uns so schwer mit der Nein-Grenze?



2. Das Nein ist die Grenze zwischen den Bedürfnissen Autonomie und Dazugehörigkeit

Bei einem Nein geht es um unsere Autonomie. Die Autonomie ist der Zustand der Selbstbestimmung, der Selbständigkeit. Autonom zu handeln oder selbstbestimmtes Handeln hat es in unserer heutigen Zeit sehr schwer im Zwischenmenschlichem. Uns wird antrainiert ohne zu Fragen Anweisungen zu befolgen und zu gehorchen. Dabei ist etwas zu hinterfragen, ob das für mich gut oder schlecht ist, unglaublich wichtig! "Prüft aber alles und das Gute behaltet." (Bibel, 1. Thes 5,21)


Vielleicht überrascht das Nein dein gegenüber, aber du darfst ihm/ihr diese Überraschung gerne überlassen. Denn wenn er dir eine Ja/Nein-Frage stellt, muss er mit beiden Antworten rechnen, sonst würde er ja befehlen. Nein ist eine legitime Antwort.


Ein Nein ist in erster Linie einfach unangenehm für den Nein-Sager, wie auch für den Nein-Empfänger. Es ist nicht so leicht Absagen zu machen, denn mein Nein kann andere verletzen, bzw. enttäuschen. Die Enttäuschung wiederum, ist es, die den Nein-Empfänger verletzt. Es ist seine Täuschung, seine Antworterwartung löst die empfundene Ablehnung aus, also im Grunde nicht deine Entscheidung. Das wäre tatsächlich nicht fair.


Vielleicht hat das Nein dein Gegenüber nun tatsächlich überrascht, aber das ist seine Verantwortung. In Verantwortung steckt das Wort Antwort. Verantwortung ist unsere Antwort, wie wir mit einer Situation umgehen und auf sie reagieren. Akzeptiert er also das Nein nicht, ist das ein Zeichen von Schwäche, ein Mangel an Anstand bei Erwachsenen und denen, die es werden wollen.


Und nochmal: Der Nein-Empfänger war wohl mit seiner Frage davon ausgegangen, dass Du Ja sagst, obwohl, die Frage sowohl mit Nein, wie auch mit Ja gleichermassen beantwortet werden konnte. Und wenn man nicht mal damit rechnet, dass das was wir uns vom anderen wünschen, mit seiner Einwilligung zusammen hängt, sprich, wir ignorieren die Autonomie des anderen, dann übergehen wir ihn, oder schätzen die Situation völlig falsch ein. Dann hat die kommende Enttäuschung erst recht etwas mit unserer Selbsttäuschung zu tun und nicht mit dem Nein-Sager!


2.1. Nein sagen in der Praxis

Ein klares Nein hängt dabei nicht von der Lautstärke ab, sondern von der Festigkeit der Stimme und der tiefen Bauchatmung. Es geht einfacher wenn du mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehst. Das wirkt entschlossen und das spürt auch deine Seele. - Nein. Punkt. Pause - Das kann man auch noch abschliessen mit einem freundlichen "Es tut mir Leid, aber vielen Dank für das Angebot/Vertrauen/Einladung".


Nein. Punkt. Pause. 

Oftmals braucht es gar keine Rechtfertigung warum oder weshalb ein Nein. Denn das Nein an sich muss auch nicht einmal mit dem Fragenden direkt in Verbindung stehen, sondern nur mit der Frage selbst. Es ist der Nein-Empfänger, der dann meist das Nein auf sich als Person bezieht und nicht auf seine Frage. Wenn das Nein also persönlich genommen wird, fordert man auch gerne eine persönliche Erklärung dazu, bzw. hat der Nein-Sager automatisch das Bedürfnis sich erklären zu müssen, was er im Grunde aber eigentlich gar nicht müsste. Auf Fragen müssen wir uns nicht rechtfertigen, sonst wären es ja Angriffe. Rechtfertigung ist eine Verteidigungsreaktion.


Ein Nein ist ja auch oft mit Schuldgefühlen verbunden. Der Nein-Sager fühlt sich verantwortlich dafür, dass der Nein-Empfänger das Nein als persönliche Ablehnung empfinden könnte. Wir wollen selbst und andere nicht ablehnen, wir wollen andere mögen und selbst gemocht werden, denn wir sind Beziehungswesen und auf einander angewiesen. Wir haben ein Gemeinschaftsgefühl, wir wollen Dazugehören und angenommen sein, denn wir haben die tiefen Bedürfnisse nach Sicherheit und Bedeutung und diese erhalten wir als soziale Wesen nun mal nur innerhalb einer Gemeinschaft.


Gerade empathische Personen spüren dann die Ablehnung, die sie womöglich auslösen, ganz besonders stark. Dann fühlt man sich selber, als vermeidlicher Täter, sehr schlecht und neigt dazu eher Ja zu sagen in Dingen und Situationen, die er absolut nicht will oder gar kann!


Ich glaube, dass Ablehnung deshalb tief mit unserer Existenzangst verankert ist. Es ist Fakt, dass Menschen an Einsamkeit sterben können, daher überrascht es nicht, dass wir sehr viel für das Gefühl tun geliebt und respektiert zu sein. Meist steckt da ja die Logik drin, dass ich nicht mehr gemocht werden könnte, wenn ich Nein sage. Doch hier überschreiten wir eine Grenze.


Sich für den anderen mitverantwortlich zu fühlen ist richtig, wenn es ein Kind ist. Doch oftmals tun wir das bei Erwachsenen und dann trauen wir ihnen nicht zu mit einem Nein «erwachsen» umgehen zu können. Das entwürdigt den anderen und hat nichts mit «Rücksicht» zu tun! Sich selber ein Nein zutrauen können, aber anderen nicht, ist überheblich. Du sagst damit, der andere kann es halt nicht so gut wie du, "ich bin dir da halt überlegen und stecke lieber ein, aber dir kann ich das nicht zutrauen".


Mit einem Nein muss jeder leben können, selbst Kinder müssen es lernen, es gehört zum gesunden Menschsein dazu! "Rücksicht nehmen" hiesse nach der unwürdigen Logik Nein zu uns und unseren Bedürfnissen zu sagen, also uns selbst zu entwürdigen, damit es ein Ja für den anderen gibt. Das ist demütigend. Wir demütigen uns selbst, wenn wir uns verneinen. Das rächt sich gerne mit dem Gefühl zu kurz zu kommen, mit Groll, Neid, Bitterkeit und wird gerne kompensiert mit Selbstverwöhnung, Laster und Süchten, weil keiner sich auf lange Sicht unbeschadet verleugnen kann.


Vielleicht glauben wir auch so sehr «Rücksicht nehmen zu müssen», weil wir das von uns her kennen, sprich dass wir selbst nicht so gut mit Nein-Frust umgehen können. Oder wir haben prägende Erfahrungen mit Menschen aus unserer Kindheit gemacht und so dieses Muster übernommen. So wollen wir es anderen nicht zumuten und erwarten auch von anderen, dass sie es uns nicht zumuten! Doch dann behandeln wir uns selbst und andere wie Kinder, unwürdige, gedemütigte Erwachsene. Doch das müssen wir nicht tun, wir können wählen. Ehren wir uns selbst in dem wir zu unseren Bedürfnissen stehen und zu der Autonomie unseres Gegenüber, indem wir ihm zutrauen mit einem Nein konstruktiv umzugehen.


Das "üble" Nein lernt das Kind in den Jahren, wo es sich eine Frustrationstoleranz aufbauen muss, denn in der Welt gibt es zu vielen Dingen, die erst einmal ein Nein bedeuten. Das zu akzeptieren, einzuordnen, respektieren, nicht persönlich zu nehmen, hat viel mit Demut, nicht mit Demütigung zu tun. Diese Reife zu entwickeln im Umgang mit Nein’s ist eine der vielen Disziplinen, die uns zu Erwachsenen macht.



nein sagen können heisst Grenzen setzten

3. Mehr Freiheit durch Grenzen

Nein-Sagen muss gelernt sein, sonst kommt man zu kurz, verausgabt sich und man wird nicht mehr ernst genommen. Grenzen müssen wir sogar uns selbst setzen lernen. Wir können nicht immer alles tun was wir wollen, wir sind mit unseren Ressourcen begrenzt. Das ist gar nicht so leicht.

Falsche "Selbstliebe" verkommt oft zu einer Selbstverwöhnung und Selbstentschuldigung, damit man sich nicht im gesunden Masse selber Grenzen setzen muss. Dieses liebende Nein zum eigenen Inneren Kind, dass nicht besonders gerne Verantwortung tragen will, ist das was uns zu erwachsen macht. Der Erwachsene in uns möchte seine Ziele erreichen, auch wenn dass innere Kind im Moment gerade nur spielen und Spass haben möchte. Da müssen wir, wenn wir Verantwortung tragen wollen, Weitsicht üben und Prioritäten setzen.


Wir sind alle gleichwertige Menschen, unabhängig von Status und unserem Beruf. Ein Nein ändert nichts an deinem Wert oder am Wert anderer. Wir können den gleichen Respekt erwarten wie bisher und sollten ihn auch anderen gegenüber aufrecht halten, wenn wir ein Nein bekommen.

Studien zufolge haben wir von Personen, die zu sich stehen und sich verletzlich zeigen, sogar mehr Respekt, als vor solchen, die sich immer anpassen. Darum tun wir uns ja gerade so schwer beim Nein-sagen, wir fühlen uns verletzlich, vielleicht sogar beschämt, weil wir sagen, es ist mir zu viel, zu schwer, ich kann da nicht mitmachen. Es ist aber so, dass die Nein-Situation für denjenigen, der sich verletzlich zeigt, meist viel schlimmer ist, als für den anderen. Der andere, wenn er ehrlich ist, kennt diese Verletzlichkeit meist ganz gut von sich selbst und wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit akzeptieren, ja er wird sich mit dir sogar identifizieren können.


Doch nicht nur das, viele Leute finden es sogar bewundernswert, wenn jemand ganz klar weiss was er kann, was er will und was eben nicht. Es verschafft Respekt wenn wir authentisch sind, weil dann das Gegenüber so weiss, dass es auch vor dir echt und wahrhaftig werden darf. Da ist eine hohe Qualität an Beziehung und Vertrauen. Selbstrespekt und Selbstachtung geht mit Respekt und Achtung anderer mit einher.


Wenn du dich nicht wehrst, gegen dich selbst und andere, und nie Nein sagst, läuft das Leben aus dem Ruder! Du bleibst harmlos und man kann auf dir herumtrampeln – denn du sagst ja nichts!


Du sagst mit einer Absage ja nicht nur Nein zu der Frage, sondern auch Ja zu deinen Prioritäten, Werten und Bedürfnisse. Es braucht Grenzen, damit wir unseren wichtigen Dingen mehr Raum geben können. Natürlich ist es hilfreich wenn man diese überhaupt kennt. Deshalb ist es so gesund sich zu fragen: Was will und brauche ich eigentlich? Und dementsprechend zu handeln. So begegnet man dir mit Respekt, weil du deine Bedürfnisse selber respektierst.


Es lebt sich viel gelassener mit dem Wissen, selbstbestimmt Handeln zu können. Jedes ausgesprochene und nicht zurückgezogene Nein ist eine Be-Ja-ung für dich und deine Bedürfnisse! Und es ist nicht egoistisch im negativen Sinne für sich selbst einzustehen. Im Gegenteil, es hat mit Reife, Verantwortungsbewusstsein und Demut für sich selbst zu tun, für seine Bedürfnisse einzustehen und zu sich Ja zu sagen. Es ist eine Übungssache.


3.1. Grenzen und Prioritäten

In der Bibel beginnt Gott schon im ersten Kapitel Genesis 1 und 2 Grenzen zu setzen. Er teilt den Himmel von der Erde, Land vom Wasser, das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, etc. Es war Tohuwabohu auf der Welt, es war total chaotisch und in diesem Chaos war kein Leben möglich. Es braucht eine bestimmte Ordnung, die gewährleistet, dass das Leben erst möglich wird. Und so teilte Gott die einzelnen Dinge von einander ab, damit eine Ordnung entstand. Er sagte Nein zum Tohuwabohu, weil er Ja zum Leben sagte.


Auch als er den Menschen machte, gab er ihm Grenzen: z. B. Das alles darfst du essen, nur diese Frucht nicht, sechs Tage sind zum Arbeiten, einer zum Ruhen, etc. So funktioniert Leben. Da wo Leben sein soll braucht es Grenzen. Grenzen geben Lebensraum, wo etwas sein darf und wo eben nicht. Kämpfen in der Kampfsportarena innerhalb der Fairplay-Regeln darf ein Ja haben, Kämpfen im Alltag auf der Strasse, Nein, das löst Chaos aus!


Überall wo wir ein Tohuwabohu haben in Beziehungen, am Arbeitsplatz, in der Kommunikation, usw. wird das Leben schwierig. Und sehr wahrscheinlich liegt es daran, dass wir dann in diesen Bereichen zu wenige klare Grenzen und Prioritäten gezogen haben. Immer wenn wir keine Grenzen setzen werden unsere Prioritäten, die Dinge auf die es ankommt, die uns wirklich wichtig sind, zu kurz kommen und leiden. Eine gute Freundschaft lebt davon, dass du mit diesem Freund Dinge tust oder besprichst, wie du sie mit keinem anderen. Dein exklusives Ja zu dieser Person ist auch ein Nein zu all den anderen, nur so wird diese besondere Freundschaft überhaupt so besonders. Wenn wir Familienzeit von Arbeitszeit klar trennen, bekommen beide Zeiten erst ihre Qualität.


3.1.1. Weniger ist mehr

Wir denken leider sehr oft, dass Nein sagen uns selber einengt und uns unserer Möglichkeiten beraubt. Wir würden etwas verpassen oder zu kurz kommen. Kurzfristig können oder dürfen wir dann tatsächlich etwas nicht tun, was wir vielleicht gerade sofort wollen, die ganze Schokolade z. B. oder Faulenzen, statt lernen. Man glaubt es wird einem was vorenthalten oder man bestraft sich sogar.


Doch die Wahrheit ist, dass wenn wir Nein sagen und es akzeptieren, setzt uns das erst frei unsere Energie innerhalb unserer Möglichkeiten, unserer Grenzen konzentriert einzusetzen! Sehr oft wollen wir nämlich etwas, was gar nicht in gesunder Weise, in unseren Möglichkeiten liegt bzw. unseren Rahmen sprengt und unsere ganzen anderen Dingen ins Ungleichgewicht bringen würde.


Wir tun uns manchmal schwer, wenn wir z. b. erfolgreich Kinder und Karriere haben möchten, so gut wie XY sein wollen, oder ohne die nötigen finanziellen Mittel, auf Kredit, dort und dort hinreisen, oder dieses Auto und diese Kleider, usw. haben wollen. Ein erfolgreicher Sportler sagt Ja zu seinem Konkurrenz-Sport, zum Wettkampf, disziplinierten Trainieren, strikten Ernährungsplänen, zur Selbstaufopferung. Aber damit sagt er auch zu einem grossen Teil Nein zu Zeit mit Freunden, Familie, Freizeit, Vergnügen und anderen Wünschen und Zielen, denn diese wären nun Ballast und würden ein Tohuwabohu bewirken.


Der Psychichiater R. Bonelli spricht hier auch von unseren Bauchgefühlen die sehr Lustorientiert sind. Der Kopf kann dann fragen "Ist es nützlich? Ist es vernünftig?" Wenn ja go for it! Wenn Nein, wäre es gut es nochmals mit den eigenen Werten, dem Herzen, seine Entscheidung abzugleichen.


Bei den vielen Ja’s merken wir oft erst später, was das konsequenterweise für Nein's bedeutet. Wir entscheiden uns nicht nur für eine offensichtliche Sache, sondern auch für dessen weniger offensichtlichen Folgen. Zu viele Ja führen zu einem Giesskannen-Effekt. Deine Energie fliesst in so viele kleine Dinge ab, aber du kannst nirgends ganz da sein. Ein Nein an der richtigen Stelle bewirkt eine enorme Erleichterung und Entspannung. Da ist plötzlich ein Raum, mehr Zeit und Energie für etwas bestimmtes, weil man sich nicht in x-Sachen verliert sondern sich nur noch auf Weniges konzentrieren kann. Man kann dann in dieser einen Sache auch richtig gut werden, weil deine Ressourcen auch alle da sind. Dann kann plötzlich ein Genuss kommen, wo vorher nur Stress war, eine Leidenschaft, wo bisher nur Forderungen im Raum standen. Ein neues Selbstvertrauen kann kommen, wo vorher ein Versagergefühl war. So bekommt das Leben auf einmal eine neue Qualität!


Manchmal ist weniger mehr!



Nein sagen können, ein nein ist eine normale Antwort auf eine Frage

4. Die Fünf Punkte die uns daran hindern Nein zu sagen

Hier, teilweise nochmals erwähnt, die fünf Punkte, die uns daran hindern Nein zu sagen:

  1. Angst zu enttäuschen, der Grund Nr. 1!

  2. Sich selbst übergehen

  3. Seine Gefühle auf Distanz halten

  4. Fromme Ausreden

  5. Keine klaren Prioritäten


4.1. Angst vor Enttäuschung

Das ist der Grund Nr. 1, warum wir nicht gerne Nein sagen, daher ist das ganze vorherige Kapitel diesem Punkt gewidmet. Also darum dazu nur so viel: Bei einem Nein wird manchmal jemand enttäuscht, dass können wir nicht vermeiden. Dabei sollten wir auch beachten, wen wir gerade enttäuschen und zu wessen Gunsten wir Ja sagen, wenn wir zu einer Anfrage von jemandem Nein sagen. Denn wir müssen andere manchmal ent-täuschen, wenn diejenige sich täuschen! Auch enttäuschen wir manchmal Freunde oder Vorgesetzte, zu Gunsten von anderen wichtigen Personen in unserem Leben (Ehepartner, Kinder, wir selbst etc.), weil wir diese noch weniger enttäuschen wollen, sonst enttäuschen wir uns damit selbst.


Nicht enttäuschen zu wollen, kann auch mit einer Gefallsucht zusammen hängen, mit dem Wunsch Täuschungen aufrecht zu erhalten, mit einer bestimmten Absicht dahinter, der wir uns in einer Beratung vertieft stellen sollten.


4.2. Sich selbst übergehen

Dazu erwähnt das vorherige Kapitel auch ein Teil, ich will es hier aber nochmal ausführen. Wir sind endliche, von Natur aus begrenzte Wesen, darum müssen wir das ernst nehmen. Wir haben nicht unendlich viel Kraft und Zeit, darum sollten wir sie einteilen. Wir können das natürlich ignorieren und übergehen. Oder wir beachten es.


Hier zeigt sich Demut. Erkenne ich an was und wer ich bin und habe ich die Grösse dazu zu stehen? Oder will ich eben mehr sein oder mehr können, als ich in der Lage bin. Dies zeigt sich auch in der Ehrfurcht vor meinem Schöpfer, dass ich anerkenne, dass er sein Werk an mir gut gemacht hat, dass ich nicht besser sein muss als er mich geschaffen hat, mit meinen Fähigkeiten, Ressourcen und Begrenzungen.


Da ist ein schmaler Grad zwischen Förderung und Überforderung. Zu letzterem müssen wir Nein sagen, da wären wir ausserhalb unserer Grenzen. Dazu gibt es natürlich auch fromme Ausreden z. B.: Ich muss ja gar nicht so auf meine Grenze achten, denn Gott gibt mit doch die Kraft für alles! Durch Jesus habe ich Zugang zu den unbegrenzten Ressourcen des Himmelreiches.


Ja das stimmt teilweise, denn der Heilige Geist mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten ist da. Aber das Himmelreich Gottes ist noch nicht ganz vollkommen da, auch wenn wir wissen, dass es kommt. Darum sind Grenzen bis dahin immer noch ein Thema für uns. Selbst Jesus hat sich für all die Dinge wie Gebet, Essen, Trinken, Schlafen, usw., Zeit nehmen müssen. Ja er war und ist Gottes Sohn, aber er war eben auch Mensch, wie wir.


Ein anderer Aspekt ist auch, dass wir der Logik glauben, wenn wir anderen immer Ja sagen, dass wir sie damit wertschätzen. Also Ja = Wertschätzung und Nein = Abwertung. Das ist aber weder christlich noch gesund! Dabei übergehen wir uns, wenn wir uns selber nicht mehr wertschätzen.


Der andere sollte nicht wichtiger werden als ich, weil auch ich nicht wichtiger werden sollte als der andere. Liebe deinen Nächsten, eben wie du dich selbst liebst, übergehe ihn nicht, wie du dich auch nicht übergehst, achte den anderen, wie du dich selbst achtest. Der andere ist wichtig und du auch.

D. h. im Flugzeug, wenn in einem Ernstfall die Sauerstoffmasken herunterfallen, müssen wir zuerst uns eine aufsetzen, bevor wir anderen helfen können. Im Alltag leben wir moralisch aber oft danach, dass wir glauben, den anderen zuerst die Sauerstoffmaske aufsetzen zu müssen, bevor wir uns selbst widmen dürfen und dann wundern wir uns, warum wir unglücklich sind und zusammenklappen.


Gott wird nicht im Himmel klatschend auf dich warten und dir dazu gratulieren wie toll du dich für andere kaputt gemacht hast! Das glaube ich zumindest, denn da ist nichts ehrenvolles dran! Ja es heisst, das grösste ist es, sich für seinen Nächsten hinzugeben, so wie Jesus für uns gestorben ist, aber er hat es nicht auf eine selbst vernachlässigende Art getan. Er ist nicht für uns gestorben, damit wir mit unserem Leben unachtsam umgehen können. Unser Leben ist unendlich kostbar für ihn. Er wollte, dass es dich gibt, dass du lebst und andere Menschen mit deinem gesunden Sein bereicherst, nicht dich aus einer falschen Frömmigkeit heraus für andere aufopferst und dann verbittert zurück bleibst, weil du nie die Dinge tun konntest, die dir wirklich wichtig waren.


Es ist wichtig Grenzen zu setzten, weil du wichtig bist und das was dir wichtig ist, seinen Raum braucht. Es ist wichtig wie es uns geht, wie wir uns fühlen, es ist nie egal oder zweitrangig. Grenzen anderer zu beachten und anzuerkennen ist auch Wertschätzung, die wir selber brauchen und auch bei anderen leben sollten. Wenn andere dich nicht schätzen, musst du eine Grenze ziehen und dich schützen. Wir müssen uns nicht allem aussetzen oder jeden Mist anhören, den man uns an den Kopf wirft. Grenzen setzen heisst sich selber wertzuschätzen und erwachsen zu handeln. Das nicht gut zu können, hat viel damit zu tun, dass wir uns teilweise gar nicht so gut selber kennen und spüren wollen.


4.3. Seine Gefühle auf Distanz halten

Jeder von uns hat einmal gelernt, wie er mit bestimmten Gefühlen umgeht und welchen Situationen man diese ausleben kann, oder eben versucht sie zurückzuhalten. Gefühle sind wichtig und brauchen ihren Raum, aber sie sind keine gute Orientierungspunkte, wonach wir uns richten müssten. Nur weil sie gerade jetzt so da sind, müssen wir sie nicht gerade so wie sie kommen ausleben. Sie haben ihre Berechtigung und wollen beachtet werden, aber sie sollten nie zum bestimmenden Faktor werden, denn je nach Gesinnung ändern sie sich ganz schnell.


Doch problematisch wird es schon, wenn wir gar keine Verbindung zu unseren Gefühlen haben, sei es durch traumatischen Erfahrungen oder anderen schwierigen Erlebnissen, wo wir gelernt haben zu Verdrängen. Man kann so leben, dass man Gefühle auf Distanz hält, jedoch wird es so schwieriger für sich selbst Grenzen setzten zu können. Nur in dem Masse, wie wir mit diesem Teil von uns Verbunden sind, der uns Resonanz gibt, wie wir die Dinge um uns herum bewerten und wahrnehmen, können wir entsprechend gute Entscheidungen fällen. Wenn ich nicht fühle, ob mir etwas gefällt oder nicht, kann ich nicht klar dazu Nein oder Ja sagen. Wenn ich nicht weiss, ob ich dazu weinen oder lachen kann, wird es schwierig und eben auch gefährlich.


Zwischen allem Sollen und Müssen muss es noch Platz haben für Wollen und dafür müssen wir uns spüren können. Es hilft uns nicht, wenn wir immer gerade alles wegrationalisieren, sondern uns wirklich anhören, was wir uns selbst zu sagen haben. Wer nur Kopfmensch ist, wird herzlos.


Wenn es zu etwas kein klares Ja gibt, ist es womöglich vorerst ein klareres Nein.


4.4. Fromme Ausreden

Nein sagen fällt Christen besonders schwer, weil wir auch Ausreden dazu haben, die besonders geistlich und fromm klingen wie z. B. als Christ muss ich doch alle Menschen lieben, dann kann ich doch nicht so egoistisch sein und wenn mich jemand braucht, dann Nein sagen! Ich will doch das Evangelium leben.


Doch wenn das so wäre, dann hätte Jesus auch einer sein müssen, der nie Nein gesagt hat, was aber nicht so war, eher im Gegenteil! Jesus hat seinen Jüngern und auch seiner Familie immer wieder Nein gesagt. Er entzog sich regelmässig grossen Menschenmengen um mit Gott alleine sein zu können. Oder auch bei der Geschichte von Lazarus sagt er zu Maria und Marta Nein, als sie ihn baten schnell zu kommen um Lazarus zu heilen, bevor er stirbt. Jesus hat Maria und Marta dann tatsächlich zugemutet, dass Lazarus stirbt, weil er wusste, dass er ihn später wieder von den Toten auferwecken lassen wird, weil er das grosse Ganze sah und mit seiner Ewigkeitssicht langfristig denkt. Das ist auch unser Problem, wir denken meist sehr kurzfristig uns sehen nicht das grosse Ganze. Wenn wir das tun würden, würden wir viel öfter Nein sagen.


4.5. Keine klaren Prioritäten

Hatte Jesus Maria, Marta und Lazarus nicht geliebt? Doch natürlich! Jemanden zu lieben heisst nicht, dass man nicht Nein sagen und Prioritäten in Beziehungen setzen darf. Jesus hat seine Beziehungen total klar geordnet. Als erstens stand bei ihm Gott, sein Vater, dann von den vielen, vielen Menschen, die ihm gefolgt sind, hatte er zwölf Jünger, die ihm sehr wichtig waren, die er besonders lehrte und von diesen zwölf nahm er nochmals drei, die ihm wirklich sehr nahe standen, die er mitnahm um zu heilen, oder auf den Berg der Verklärung. Das waren Petrus, Jakobus, Johannes. Und von Johannes hiess es dann, er sei der Jünger den Jesus liebte.


4.5.1 Stufen der Nähe

Das ist manchmal eines unserer grössten Probleme, wir haben oder machen keine klaren Prioritäten. Doch wir müssen ordnen wer, wieviel Zugang zu mir und meinem Herzen und Ressourcen hat.


Dazu ein Vorschlag nach dem Modell «Stufen der Nähe»: In der Mitte ist unser Herz und dann ziehen sich verschiedene Kreise um uns, die uns unterschiedlich nahe sind und in jedem Kreis haben wir verschiedene Personen die unterschiedliche Zugangsberechtigungen bei uns haben. Je näher sie unserem Herzen sind, desto mehr Zugangsberechtigung erhalten sie, desto exklusiver werden die Beziehungen. Je geordneter wir dies handhaben, desto mehr steigt die Qualität der jeweiligen Beziehungen. Von innen nach aussen:

1. und innerster Kreis Gott: Zugang zu meinem ganzen Herzen

Gott sollte an unserer erste Stelle stehen, denn hier findet sich unsere Anbetung. Der Psychiater Dr. R. Bonelli sprich hier auch von dem Inneren Heiligtum mit den Tugenden und Werten, nach denen wir uns ausstrecken und orientieren wollen. Das Gute, das Wahre und das Schöne.


2. Kreis Ehepartner oder wenn du unverheiratet bist, ein allerbester Freund:

Hier ist ein exklusiver Zugang zu Intimität. Hier sollte nur eine Person sein. Dies ist unsere nächste menschliche Beziehung und es sollten nicht die eigenen Eltern oder Kinder sein. Das wäre sehr ungesund! Eltern oder Kinder sind kein Partner-Ersatz. Damit wir eigenständige Personen werden mit gesunde Beziehungen, müssen wir Eltern loslassen, bzw. Eltern ihre Kinder loslassen können.


3. Kreis Kinder und Familie, Eltern, Schwiegereltern, gute Freunde: Diese Personen haben einen Zugang zu meinem näheren Liebesbereich

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Hier ziehen wir eine dickere Grenze, denn die ersten drei Kreise umfassen die Familie, wo wir verschiedene spezifische biblische Gebote, Segnungen und Verheissungen haben. Für die restlichen Kreise haben wir allgemeine biblische biblische Gebote, Segnungen und Verheissungen.


4. Kreis Gute Freunde: Zugang zu meiner Freundschaft und Zeit


5. Kreis Chef (Ausserhalb der Arbeitszeit), Kollegen, alle übrigen Bekannte:

Zugang zu meiner Einsatzbereitschaft, Verpflichtung und Fähigkeiten


Die ersten drei Beziehungs-Kreise oder Stufen kommen ja schon in den 10 Geboten vor. Daraus können wir schliessen, wenn die Ordnung bis hier stimmt, schon sehr vieles richtig ist!

Wie auch immer du wen wohin ordnest, darfst du auch klar kommunizieren wer wo bei dir steht. Wenn hier Enttäuschungen stattfinden, weil sich jemand in seiner Position zu dir getäuscht hat, ist das ganz gut, denn dann werden die Beziehungs-Verhältnisse klarer. Vor allem aber merkst du so auch, wieso du deinen Ehepartner enttäuscht, wenn du ihn eben nur wie einen guten Freund behandelst. Das solltest du dann korrigieren!


Diese Grenzen sind wie Zäune zu verstehen, wenn du Nein sagst. Deine Nein-Zäune müssen höher und stärker gebaut werden, dein Nein sollte entschiedener sein, je näher es zu deinem Herzenskern steht. Je näher die Personen an deinem Herzen, desto wichtiger dein Nein nach aussen, wenn da jemand anderes eindringen will. Du musst dir bewusst sein, dass wenn du deine Kinder deinem Ehemann bevorzugst, dies ein Ungleichgewicht schafft. Oder, dass wenn du die Anliegen deiner Arbeit, deines Chefs über die deiner Familie stellst, ein Tohuwabohu mit sich ziehen wird.


Kinder z. B. wollen immer die Aufmerksamkeit der Eltern. Wenn die Eltern aber sich und ihrer Ehe keine bevorzugte Aufmerksamkeit mehr schenken, wir die Ehe instabil und so die ganze Familie. Es dient letztlich den Kindern, wenn sie Eltern haben, die sich den Vorzug geben, vor den Kindern. Auch sollte dein Partner nie von dir so vergöttert werden, wie es Gott zusteht. Auch du solltest dir immer im Klaren sein, dass für deinen Partner Gott wichtiger sein sollte als du, was aber nicht heisst, dass er dich darum weniger lieben würde. Ihr seid gleichwertige Erwachsene.


Die Gefahr gerade bei den engeren Kreisen ist, dass einer den Platz von Gott oder dem Ehepartner einnehmen möchte oder vom anderen verlangt und da sollten wir wirklich strikt Nein sagen! Diese Abhängigkeit, die wir von Gott haben und die Kraft, die wir nur aus seiner Beziehung zu ihm tanken können, sollten wir nie von unserem Ehepartner verlangen oder gar leben. Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt sein.


Wir dürfen Gott ehren und unseren Ehepartner achten, aber nicht verachten, wenn wir ihn nicht verehren können. Denn verehren können wir nur Gott. Dies im Sinne der Anbetung.


Diese Kreise oder Stufen sind durchaus dynamisch. Also wenn man heiratet, dann verschiebt sich eine sehr enge Beziehung in den Ehekreis, was wiederum andere auf die hinteren Plätze verdrängt, oder wenn Kinder in eine Familie kommen, werden Freundschaften sich ändern und zurücktreten müssen. Auch wenn sehr enge Freunde uns verletzen und wir für uns entscheiden, dass sie nun nicht mehr in den guten Freundeskreis gehören, sondern nun in den Bekanntenkreis abwandern, dann ist das ok. Dazu hat auch ein jeder andere das Recht.


Die heutigen lockeren und diffusen Beziehungsformen können ganz viel Unsicherheit und Tohuwabohu bringen. Wichtig wird dann zu klären, dass man bei jemandem anderen nicht in einem Ehekreis landet, wenn man selbst z. B. gar nicht so fühlt oder sogar verheiratet ist und diesen Platz gar nicht so bieten kann, will oder sollte.


Es ist auch wichtig für uns zu wissen, dass unsere besten Freunde uns selbst auch als beste Freunde schätzen, weil es uns sonst immer im Mangel zurücklassen wird, wenn wir bei ihnen nur im Bekanntenkreis landen.


Gut aufpassen müssen wir auch dann, wenn mein Chef zugleich mein bester Freund, Schwiegereltern oder auch mein Ehemann ist, oder mein Sohn/Tochter, wie es z. B. in einem Familienunternehmen der Fall sein könnte. Hier müssen wir immer gut trennen in welchem Bereich wir uns gerade beide befinden und auf welcher Position sich der andere für mich augenblicklich befindet. Sprich, diskutieren wir hier gerade als Ehepaar oder als Geschäftspartner? Empfehlenswert ist es daher, die Kreise nicht zu vermischen und wirklich auch die engen Beziehungen von einander klar zu trennen und zu priorisieren.



Nein sagen können heisst ja zur Freiheit

5. Fünf Tipps um leichter Nein sagen zu können

5 Tipps für ein leichteres Grenzen setzten:

  • Tipp 1: Übernehme Verantwortung für dich selbst

  • Tipp 2: Achte auf deine Worte

  • Tipp 3: Nein-sagen braucht Übung

  • Tipp 4: Rhythmus/Gewohnheiten nutzen

  • Tipp 5: Denk nach


5.1. Tipp 1: Übernehme Verantwortung für dich selbst

Wir kennen diese Sätze die mit «eigentlich wollte ich ja nicht, aber ich dachte ich müsste…» beginnen, «ja normalerweise tue ich das ja nicht, aber es konnte ja niemand anderes ausser mir…» oder «es sind doch schon so viele krank, also wenn ich jetzt auch noch zu Hause bleibe, können wir gleich zu machen…». Es ist so erstaunlich was wir alles glauben zu müssen, bzw. wie sehr die Welt untergeht, wenn wir mal nicht tun würden, was wir glauben tun zu müssen.


Du siehst, da ist eine vordergründige Selbstüberschätzung, die sich in Wirklichkeit davor drückt für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Es geht in die Richtung zu glauben irgendwie heldenhaft zu sein, wenn man mehr tut als andere, aber dabei nicht auf sich achtet. Es gibt immer irgendwelche gute Gründe, doch wir müssen eigentlich gar nichts, ausser irgend wann zu sterben.


Und was wir eben tun oder nicht, tun wir, weil wir uns dazu entschieden haben, es so zu tun, bewusst oder unbewusst. Wir glauben manchmal, dass die Dinge einfach so über uns kommen, also das andere dafür verantwortlich sind und wir gar nichts dagegen tun können. Das Schicksal hat es so gewollt. Doch das stimmt so nicht. Man kann sein Glück auch erzwingen oder herausfordern, lehrt der Volksmund. Dinge die uns im Jetzt und Heute passieren sind womöglich Folgen von Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben. Wir können für uns Verantwortung übernehmen, wie wir etwas tun und wieviel wir von unserer Zeit und Kraft investieren wollen.


Wir entscheiden letztlich immer darüber, wie wir mit einer Gegebenheit umgehen. Und sich nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung. Nämlich die, ich entscheide mich dafür, dass andere entscheiden.


5.1.1. Überverantwortung

Wir können immer Antworten auf die Verantwortung, ob wir zu ihr Ja oder eben Nein sagen, jene Verantwortung, die uns zugetragen wird und jene die wir selber haben. Wir geben die Verantwortung für unsere Grenzen total gerne an anderen ab, sprich sie sollen für uns Rücksicht nehmen, sie sollen berücksichtigen wie es uns ergeht. Das tun andere genau so gerne mit uns, oft mit viel emotionalem Tohuwabohu, manipulierenden Schuldgefühlen oder rhetorischem Geschick, gelernten "Verkaufsargumenten" und Hundeblicken, etc.


Ehe wir uns versehen sagen wir Ja und übernehmen plötzlich Verantwortung für Probleme oder Themen, die im Grunde gar nicht unsere eigene sind. Wenn Leute mit ihren Problemen zu uns kommen, passiert es ganz schnell, dass wir sie zu unseren eigenen machen. Doch dazwischen ist ein Schritt, nämlich die Entscheidung diesem Problem oder dieser Person dermassen die Wichtigkeit zu geben, als wäre es mein eigenes oder ginge es um mich. Das ist aber eine Vermischung und wir landen in der Überverantwortung. Wenn du dir das klar machst, kann das dein Umgang mit anderen total entspannen.


Wenn da jemand erwachsenes mit seinem Problem kommt, kannst du dich immer fragen:

  • Wer hat welche Verantwortung?

  • Für die Beziehung haben wir beide die Verantwortung, aber es ist sein Problem oder Thema. Will ich es hier und heute zu meinem machen?

  • Ja oder Nein?

  • Ja. Selber schuld, tatsächlich. Der andere kann jetzt entspannen, du kümmerst dich für ihn um ihn. Vielleicht gibt es sogar ein Danke. Aber nur vielleicht.

  • Nein, es ist seine Verantwortung. Der schafft sein Leben. Ich schaffe meines auch.

  • Wenn er dir wichtig ist, kannst du dich ja vielleicht fragen: Was kann ich geben, ohne das es mich belastet? Dann schenke ich, ich gebe freimütig. Er schuldet mir nichts. Gute und gesunde Beziehungen basieren auf Geben und Nehmen. Lehnt er dein Entgegenkommen ab, weisst du woran du bist.


Durch das Reflektieren und Verantwortung zuordnen, wirkt eine Anfrage plötzlich nicht mehr so bedrohlich, es verliert seine Schärfe. Wenn du immer alles annimmst womit die Leute kommen, wirst du irgendwann genervt und bitter werden. Doch niemand zwingt dich, die Dinge der anderen zu schlucken, du darfst dich distanzieren. Du triffst die Entscheidungen für dein Leben. Und ja, damit wirst du dich bei dem einen oder anderen unbeliebt machen, aber du wirst auch nicht mehr mit Beliebtheit "käuflich" und verführbar sein.


5.2. Tipp 2: Achte auf deine Worte

Verantwortung übernehmen, zeigt sich auch in unserer Wortwahl. Achte darauf, was du sagst: Ich muss noch dass…, ich habe keine Zeit, ich muss noch dorthin… etc. Das stimmt nicht wirklich. Ehrlicherweise müsstest du sagen: Ich will halt das und das, darum will ich müssen!


Der Unterschied zwischen dem, wenn wir sagen, ich will, statt ich muss, ist das Bewusstsein über die eigene Verantwortung. Wenn ich zu mir stehe und sage: «Ich will pünktlich nach Hause, weil ich will, dass man sich zu Hause auf mich verlassen kann», übernehme ich für mein Handeln Verantwortung. Wenn ich sage: «Ich muss um elf zu Hause sein.», delegiere ich sie ab. Musst du also wirklich? Kannst du zu deinem Nein stehen?


5.3. Tipp 3: Nein-sagen braucht Übung

Nein sagen ist Übungssache. Wir brauchen dafür einfach eine Routine, denn man kann das nicht von alleine. Es ist eine innerer Vorbereitung, eine Haltung und dann auch eine ganz praktische äussere Anwendung. Es ist eine Art Gewohnheitsänderung die Sache von der Person zu trennen, um so leichter Nein sagen zu können auf eine wertschätzenden Art.


Ein Nein wird immer noch besser angenommen, wenn eine ehrliche Begründung mitkommt, keine Rechtfertigung. Du darfst dir auch gerne eine Bedenkzeit geben und sagen, dass du noch darüber nachdenken möchtest, bevor du definitiv antwortest. Beachte jedoch, dass ein klares Nein immer noch besser ist, als ein wackeliges Ja. Wenn es kein klares Ja ist, ist es womöglich ein klares Nein.


5.4. Tipp 4: Rhythmus und Gewohnheiten nutzen

Wie bereits erwähnt, hat Gott am Anfang Grenzen gesetzt, aber er hat auch Rhythmen gelegt. Wir könnten auch dazu Gewohnheiten sagen. Wenn man immer zu bestimmten Tages- oder Wochenzeiten etwas tut, dann sind einem schon ganz viele Entscheidungen abgenommen, Routinen entlasten ungemein. Wenn man sich angewöhnt von Anfang an klar zu Priorisieren und Kommunizieren, oder sich nach einer bestimmten Zeit Auszeiten zu nehmen, muss man nicht immer wieder bewusst Grenzen setzen.


5.5. Tipp 5: Denk nach

Nimm dir Zeit nachzudenken und zu reflektieren. Wir müssen uns Zeit nehmen um uns zu spüren, eine Wochen- oder Tagesrückblick zu machen und darüber nachzudenken, wo hätte es eine Grenze gebraucht, was sind die Optionen, was sind meine Prioritäten?


Wenn wir uns nicht bewusst mit unseren Prioritäten und Werten auseinander setzen, bleiben wir immer Knechte im Aussen. Jesus hat zu uns gesagt, dass wir nicht mehr Knechte sein müssen, sondern Freunde. Wir müssen nicht mehr ein Leben in Knechtschaft führen, sondern wir sind zur Freiheit berufen, wo wir ein stückweit selbst Herr über uns sein dürfen und uns aber auch darin üben müssen (Selbstbeherrschung). Darum sage Ja zu Dir, sage ja zum Nein. Amen



Quelle: 30 Minuten; Gelassenheit, Monika Alicja Pohl, 2. Auflage 2016, GABAL Verlag GmbH, Offenbach









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